Die Folgen der Covid-19 Krise und ihrer Maßnahmen werden für den gesamten Buchsektor Deutschlands und Europas sowie für Autoren und Übersetzerinnen als sehr schwerwiegend eingeschätzt, so die Ergebnisse der EWC Umfrage in 24 Ländern und unter 33 Schriftsteller- und Übersetzer-Verbänden. Was kann Europa, was können die Länder – und was kann jede Gesellschaft tun, um auch für die nachfolgenden Generationen die Vielfalt, das Wissen und den Wert der Bücher zu bewahren?
Die Lage ist ernst – für die Buchbranche, und gleichwohl für die gesamte Welt und ihre bisherigen Strukturen, Gewohnheiten und, ja: auch Wichtigkeiten. Es gibt nicht mehr den „place to be“, Orte, an denen man sein muss, um sehen und gesehen zu werden. Es gibt keine Veranstaltungen mehr, auf denen „man sich blicken lassen muss“, um Beziehungen zu knüpfen, die einen „nach oben bringen“. Auch dieses „nach oben“ steht nun auf dem Prüfstand: Wo ist denn nun dieses „oben“? Dort, wo der Raubtier-Kapitalismus seine Schäden hinterlassen hat? Dort, wo die billige Tourismusbranche auf Kosten von Natur und Menschen handelt? Dort, wo zuvor eine Politik des Wachstums und Disruption proklamiert wurde, die sich nun auf neue Zukunftswerte konzentrieren muss: Auf Erhaltung, Nachhaltigkeit, auf Demokratie, Inklusion, Klimaschutz, und auf Investitionen in eine Zukunft, in der sich junge und nachfolgende Generationen schwerer, zurecht finden werden.
Das Buch lebt von der Begegnung mit Menschen
Schaut man als Unbedarfter in einen Buchladen, erscheint die Krise dort so fern: Bücher – gibt es die nicht immer? Und haben Schriftsteller nicht den sichersten Beruf der derzeitigen Welt: daheim bleiben und sich im Manuskript vertiefen?
Hier muss mit einer romantischen Idee aufgeräumt werden: Nur wenige hauptberufliche Autoren und Autorinnen bestreiten ihr Einkommen vom Verkauf ihrer Werke. Hierunter fallen etwa 5-7 % Bestseller- und rund 10 % Midlisterautorinnen. Die meisten unserer Kolleginnen und Kollegen aus dem Publikumsmarkt verfügen über mehrdimensionale Einkommensfelder wie Lektorat, Lehr- und Kurs-Veranstaltungen, Moderation von Panels und Veranstaltungen, Vorträge und Lesungen, die Leitung eines Buchclubs oder Schreibzirkels. Weitere Einnahmequellen sind Stipendien, Preise und Einladungen zu transnationalen Festivals. Viele Schriftsteller und Übersetzerinnen arbeiten als Literatur-Scout, Gutachterinnen, schreiben Kritiken oder organisieren Projekte.
Es ist den WortarbeiterInnen in Europa selten möglich, Rücklagen für mehr als drei oder gar sechs Monate zu bilden, was aus geringen und sinkenden Vergütungen und Tantiemen, und fortgesetzt schwacher Verhandlungsposition im Vertragsbereich resultiert. Alle Honorare werden zur Deckung der Lebenshaltung genutzt. Betrieblich abzuschreibende Ausgaben sind gering; die wenigsten können ein Arbeitszimmer im Sinne der steuerlichen Betriebsausgaben geltend machen. Ihr Betrieb ist ihr Kopf.
Das führt in vielen Ländern dazu, dass klassische Soforthilfen nicht für sie verfügbar sind. Auch fallen sie meist durch das Sozialsystem – es gibt nur wenige Länder, in denen Autoren und Übersetzer zum Beispiel in die Rentenkasse zahlen (Deutschland) oder staatliche regelmäßige Unterstützung erhalten (Frankreich).
Derzeitige und zu erwartende wirtschaftliche Verluste
Die Krise trifft Autoren und Autorinnen mit dem Ausfall abgesagter Veranstaltungsformate bis oft für den Rest des Jahres. Buchhandlungen und andere Stätten können aufgrund der sanitären Schutzmaßnahmen keine kostendeckende Veranstaltung mehr durchführen, und konnten durch den Einbruch im Kaufmarkt – ein Verlust von einer halben Milliarde Euro Umsatz nur in den sechs Krisenwochen allein in Deutschland! – keine Rücklagen für Veranstaltungskosten, inkl. Honorar und Reisekosten für AutorInnen bilden. In geringerem Maße sind auch ÜbersetzerInnen betroffenen, die selbst Veranstaltungen kuratieren, moderieren, gestalten, Vorträge halten, Workshops leiten und Seminare geben.
Hier gehen wir zum Beispiel in Deutschland von 30.000 nicht statt findenden Lesungen in Buchläden und Literaturhäusern aus, neben mehreren tausend Vorträgen, Panels, Workshops und weiteren Formaten, die sonst in Bibliotheken, Universitäten, an Schulen oder Residenz- und Künstlerhäusern statt fänden. Nachvollziehbar lässt sich von 50.000 abgesagten Veranstaltungen für 2020 und die Wintermonate 2021 ausgehen.
In ganz Europa und den non-Eu Ländern sind vier Buch-Segmente besonders betroffen: